Vielfach wird die mangelnde Digitalisierung im Bildungssektor in Deutschland kritisiert. Hier können Sie lesen, wie die Digitalisierung einer Sprachschule vor und während der Corona-Pandemie ablief, wie die Schule damit Kundennutzen generierte und ihre internen Prozesse optimierte.
Bereits seit 2017 nutzte die inlingua in Braunschweig eine Verwaltungssoftware der Firma Kufer Software GmbH. Viele Volkshochschulen in Deutschland nutzen die gleiche Standard-Software. Schrittweise wurden immer mehr Bausteine der umfangreichen Software in Betrieb genommen. Ende 2019 erfolgte ein großer Schritt mit der Anbindung der Webseite an die interne Software. Kurse und Prüfungen werden durch die Verwaltung in der Software angelegt und sind für die Kund*innen direkt auf der Webseite sichtbar und buchbar. Natürlich kann die Schule vorgeben welche Kurse buchbar sind, denn interne Kurse für die Firmenkunden sind selbstverständlich nicht öffentlich sichtbar.
Dann schlug im März 2020 die Corona-Pandemie zu. Mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen musste die Schule für den Präsenzunterricht schließen.
Virtuelle Klassenzimmer mit Microsoft Teams
Viele Firmenkunden legten erst einmal bei den Sprachkursen eine Pause ein und kümmerten sich um die Anbindung der Home-Office-Arbeitsplätze. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), reagierte dagegen sehr schnell und veröffentlichte Kursmodelle im virtuellen Klassenzimmer. Und so gingen nach kurzer Vorbereitung Ende März 2020 die ersten BAMF-Kurse online an den Start. Glücklicherweise hatte die inlingua schon 2014 auf Office 365 umgestellt. Dieser Schritt erwies sich in der Pandemie als ein strategisch kluger Schachzug. Microsoft Teams kannte Anfang 2020 kaum jemand, ist aber Teil des Office-Abonnements.
Organisiert wurde die Digitalisierung der inlingua-Sprachschule vom Büro in Braunschweig aus, das ständig mit einer Rumpfmannschaft besetzt war. Julian Stolte (heute Geschäftsführer von Deutschprofi.de) übernahm die technische Seite der Organisation, und eine Lehrkraft die pädagogische Seite. Denn die meisten Lehrkräfte mussten erst in der Bedienung von Teams und den pädagogischen Möglichkeiten der Software geschult werden. inlingua in Braunschweig übernahm auch für zwei andere inlingua-Standorte die Umstellung auf Teams, da dort intern keine IT-Kompetenz verfügbar war.
Weitere Schritte der Digitalisierung
Im weiteren Verlauf digitalisierte die inlingua auch die interne Stundenabrechnung der Lehrkräfte. Vor der Pandemie führten die Lehrkräfte eine Kurskarte für jeden Kurs, auf der sie die gegebenen Stunden, die Inhalte sowie die Anwesenheit dokumentierten. Dies erwies sich im Distanzunterricht als wenig praktikabel. Glücklicherweise hatte die inlingua schon mit der Web-Anbindung auch ein sogenanntes “Dozenten-Tool” bei Kufer bestellt. Und dieses ersetzte nun nach und nach die handgeschriebene Kurskarte.
Und nicht nur in der Verwaltung und im Virtuellen Klassenzimmer ging inlingua neue Wege. In Kooperation mit Deutschprofi.de wurde eine digitale Lernplattform für die Prüfungsvorbereitung geschaffen. Diese wird inzwischen komplett durch Deutschprofi.de betrieben und weiter ausgebaut. inlingua nutzt die Lernplattform mit sehr gutem Erfolg für alle Kurse zur Vorbereitung auf die Prüfungen für die Sprachstufen B2 und C1.
inlingua Braunschweig führt seit 2013 Sprachprüfungen für die telc gGmbH durch, seit 2018 auch im Ausland. Mitte 2021 führte telc Sprachprüfungen im digitalen Format im Ausland ein und inzwischen haben wir schon viele komplett digitale Prüfungen im Ausland durchgeführt. Die Teilnehmenden legen dabei die schriftliche Prüfung in ihrem Heimatland am PC ab, und die mündlichen Prüferinnen sitzen in Braunschweig und nehmen die mündliche Prüfung per Teams in einer Videokonferenz ab. Auch hier kommt in der Prüfungsvorbereitung wieder die Lernplattform ins Spiel, denn die Teilnehmenden können sich neben der inhaltlichen Vorbereitung auch schon einmal an das digitale Format gewöhnen.
Erfolgsfaktoren bei der Digitalisierung einer Sprachschule
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Digitalisierungsprojekten sind aus unserer Erfahrung:
- Unterstützung durch das Topmanagement
- Die Mitarbeitenden im Veränderungsprozess zu Beteiligten machen und ihre Hinweise/Sorgen/Probleme aufgreifen und umsetzen bzw. lösen
- die richtigen personellen und technischen Ressourcen bereitstellen
- Ein langfristiges Konzept
Erfahrungen und Ausblick
Die Umstellung auf das virtuelle Klassenzimmer war sicherlich die größte Herausforderung bei der Digitalisierung der inlingua-Sprachschule, denn sie musste innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgen. Dabei war einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, dass die Lehrkräfte tatkräftig mitwirkten und sich aktiv darum kümmerten, das nötige Know How zu erwerben. Dadurch gelang es, die langen Phasen der Lockdowns relativ unbeschadet und vor allem ohne Kündigungen zu überstehen. Viele BAMF-Kurse sind in den Präsenzunterricht zurückgekehrt. Firmenkurse dagegen finden auch jetzt noch weitgehend über Teams statt, da viele Mitarbeitende immer noch im Homeoffice sind.
Es hat sich sehr vorteilhaft ausgewirkt, dass das Konzept der Digitalisierung bereits vorlag und einige Schritte am Beginn der Pandemie schon fertig oder in Vorbereitung waren. Denn einen Webshop aufzustellen dauert einige Monate, da alle Kurse und Prüfungstermine manuell angepasst werden mussten. Und bevor diese Arbeit beginnen konnte, musste erst eine Systematik geschaffen werden.
Während der Kursbetrieb durch die Pandemie insgesamt etwas zurückging, fanden Sprachprüfungen weiterhin fast im gewohnten Umfang statt. Und in diesem Punkt hat sich der Webshop wirklich gelohnt. Da viele Teilnehmende den Webshop für die Anmeldung nutzten, ging der Besucherverkehr für die Anmeldungen drastisch zurück. Dies ist natürlich in Pandemiezeiten ein immenser Vorteil. Zudem geben die Teilnehmenden ihre persönlichen Daten für die Anmeldung zur Prüfung selbst ein. Das manchmal fehlerhafte Abschreiben der früher handgeschriebenen Anmeldungen entfällt somit.
Die Digitalisierung einer Sprachschule ist kein einmaliger Vorgang. Es gibt immer noch Bereiche, die viel Papier produzieren, zum Beispiel die öffentlich geförderten Kurse. Und es ist natürlich möglich auch die bereits digitalisierten Prozesse weiter zu optimieren. Zum Beispiel, weil neue Softwarefunktionen verfügbar sind.
Gastbeitrag von Bernd Stolte, Geschäftsführer bei inlingua Braunschweig